Die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten Thüringens hat bundesweit für Aufsehen gesorgt, da er offensichtlich mit Stimmen der AfD gewählt worden ist. Nach seiner Wahl wurden bundesweit Stimmen laut, dass man sich nicht mit Stimmen einer „Höcke-Partei“ wählen lassen dürfe. Nachdem Kemmerich zunächst bereits einen Tag nach der Wahl seinen Rücktritt avisiert hat, dann bekanntgab, nicht sofort zurücktreten zu können/wollen, ist er nunmehr am gestrigen Samstag von seinem Amt zurückgetreten.
Kemmerich verzichtet auf alle Bezüge
Bereits zuvor hatte Kemmerich erklärt, auf alle Bezüge zu verzichten. Sollte er welche überwiesen bekommen, werde er diese an die Staatskasse zurückgeben. Am Mittwoch dieser Woche war er erst mit den Stimmen der CDU und der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden. In der Großen Koalition löste dies eine Kriese aus. Linke, Gründe und SPD hatten dem Politiker sogar eine Frist zum Rücktritt bis Sonntag gesetzt.
Krisengespräch im Kanzleramt
Die Bundesparteien waren über seine Wahl so irritiert, dass es sogar ein Krisengespräch im Bundeskanzleramt ab. Sowohl Bundeskanzlerin Merkel wie auch Olaf Scholz (SPD) sollen massiv auf FDP-Chef Christian Lindner eingewirkt haben, damit dieser auf Kemmerich einwirkt. Ziel sei ein schneller Rücktritt Kemmerichs, um Schaden von den sogenannten Altparteien abzuhalten.
Neuer Ministerpräsident in Thüringen
Nicht klar ist jedoch, wer neuer Ministerpräsident in Thüringen werden soll. Die Parteienkonstellation lässt keinen eindeutigen Sieger zu. CDU und SPD erwarten eine schnelle Neuwahl eines Ministerpräsidenten im Thüringer Landtag. Allerdings legen die Mehrheitsverhältnisse eher nahe, dass es zu baldigen Neuwahlen kommen könnte. Nach den Umfragen würden die Altparteien aber davon nicht profitieren, ein Einziehen der FDP in den Landtag bei Neuwahlen ungewiss sein und ein Stimmenwachstum der AfD wahrscheinlich.
Original-Koalitionsbeschluss im Wortlaut
Nach der Tagung des Koalitionsausschusses am Samstag, 8.2.2020 wurde folgender Beschluss im Wortlaut gefasst:
Die Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen mit einer Mehrheit, die nur durch Stimmen der AfD zustande kam, ist ein unverzeihlicher Vorgang. Die Koalitionspartner erwarten, dass der gewählte Ministerpräsident Thomas Kemmerich heute daraus die einzig richtige Konsequenz zieht und von seinem Amt zurücktritt.
Jetzt geht es darum, schnell für stabile und klare Verhältnisse in Thüringen zu sorgen. Deshalb erwarten die Koalitionspartner als nächsten Schritt, dass umgehend ein neuer Ministerpräsident im Landtag gewählt wird.
Aus Gründen der Legitimation der Politik sind die Koalitionspartner davon überzeugt, dass unabhängig von der Wahl eines neuen Ministerpräsidenten baldige Neuwahlen in Thüringen erforderlich sind.
Regierungsbildungen und politische Mehrheiten mit Stimmen der AfD schließen wir aus. Das ist und bleibt Beschlusslage der die Koalition tragenden Parteien für alle Ebenen.
Kann die SPD und die CDU überhaupt beschließen, was die FDP zu machen hat?
Unklar ist im Koalitionsbeschluss allerdings, wer neuer Ministerpräsident werden soll. Unklar ist auch, mit welcher Legitimation zwei andere Parteien (SPD und CDU) überhaupt beschließen können, was eine dritte Partei (die FDP) zu tun und zu lassen hat. Nicht im Beschluss erwähnt wurde übrigens, dass Kemmerich auch mit Stimmen der CDU gewählt worden ist. Es wurde sich auch nicht dazu positioniert, ob ggf. mit Stimmen der CDU ein etwaiger Ministerpräsident Ramelow (Linke) zu bevorzugen sei.
Kemmerich bleibt geschäftsführend im Amt
Nach der Landesverfassung Thüringens muss der Ministerpräsident Thomas Kemmerich auch bei einem Rücktritt geschäftsführend solange im Amt bleiben, bis ein Amtsantritt eines Nachfolgers stattfindet. So wird eine kopflose Regierung verhindert.
Wann wird ein neuer Ministerpräsident gewählt?
Eigentlich müsste ein neuer Ministerpräsident in der nächsten Landtagssitzung gewählt werden. Diese ist aber regulär erst für den 4.März vorgesehen. Eine frühere Sitzung kann aber auch einberufen werden, – dafür sind 20% Mitgliederstimmen erforderlich oder der Antrag einer Fraktion oder Landesregierung selber.
Was gilt bei einer Neuwahl eines Ministerpräsidenten als wahrscheinlich?
Als wahrscheinliches Szenario gilt, dass bei einer Neuwahl Bodo Ramelow (Linke) als Präsident gewählt wird, indem sich die CDU bei einer Abstimmung geschlossen enthält. Allerdings soll dies nur passieren, wenn vorher klar ist, dass er nicht eine ganze Wahlperiode amtiert, sondern vorzeitig Neuwahlen angesetzt werden.
Wer ist Thomas Kemmerich?
Thomas Kemmerich, von einigen wegen seiner Vorliebe für Cowboy-Stiefel auch „Cowboy“ genannt, ist eigentlich Rheinländer – geboren in Aachen – und hat sich seine Frohnatur auch in Thüringen behalten. So ist er z.B. Präsident der Gemeinschaft Erfurter Karneval von 1991 e.V.
Er unterhält einen Familienwohnsitz in Weimar, hat aber auch einen Wohnsitz in Erfurt.
Aus dem Rheinland nach Erfurt
Durch einen Mitstudenten, der ihn nach Erfurt einlud, kam er dorthin. Er sei von Anfang an von Thüringen und Erfurt begeistert gewesen. Zunächst baute er dort eine Unternehmensberatung auf und übernahm später mehrere Frisörgeschäfte mit rund 150 Mitarbeiterin. Auch einer Uhrenmarke aus Weimar verhalf er zu mehr Umsatz. Kemmerich wurde 2015 Landesvorsitzender der FDP, in die er erst mit ca. 40 Jahren eingetreten ist. 2017 zog er für die FDP in den Bundestag ein. Kemmerich hat 6 Kinder.
Distanzierung von der AfD
Kemmerich hat sich vor, während und nach der Wahl immer von der AfD und ihrem Programm distanziert. Eine Zusammenarbeit ausgeschlossen.