„Mit“ oder „An“ Covid-19 gestorben? Ist das ein Unterschied?

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In den meisten offiziellen Statistiken, die über Covid-19-Todesfälle geführt werden, sind Fälle erfasst, in denen Menschen „mit Covid-19“ gestorben sind. Damit sind Fälle gemeint, bei denen vor dem Tod eine Infektion mit dem Coronavirus festgestellt wurde oder aber dies posthum diagnostiziert wurde, was deutlich seltener vorkommt.

In den sozialen Medien wird immer wieder von Usern darauf hingewiesen, dass man deutlich unterscheiden müsse, ob jemand „mit“ oder „an“ Covid-19 gestorben ist. Schaut man sich die Userprofile solcher Einwandführer an, stellt man häufig, aber nicht zwangsläufig fest, dass eine Nähe zur Reichsbürgerbewegung oder zur AfD gegeben ist und auch schon mal gerne Propaganda-Videos des russischen Senders Russia Today, heute unter „RT“ oder „RT1“ über Youtube sendend, geteilt wird.

Ob es überhaupt erheblich ist, ob jemand an oder mit Covid-19 gestorben ist, ist allerdings in der Realität eine mehr akademische Frage. Es verstirbt auch niemand an einem Verkehrsunfall, aber er verliert dadurch u.U. soviel Blut, dass er am Blutverlust verstirbt, den er ohne den Verkehrsunfall nicht gehabt hätte, werfen Kritiker ein.

Zwei Mediziner gehen dem auf den Grund

Zwei Mediziner sind der Todesursache von Menschen, die mit Covid-19 gestorben sind, nun einmal auf den Grund gegangen und haben eine Reiche von Toten obduziert, um die Auswirkungen von Covid-19 auf den Körper besser zu verstehen und genau festzustellen, woran der Mensch gestorben ist. Insofern das im Einzelfall überhaupt möglich war. Zum einen ist dies Prof. Alexander Tzankow, der in seiner Funktion als Leiter der Autopsie in Basel Covid-19-Tote obduziert hat und zum anderen ist das Klaus Püschel, der in Hamburg als Rechtsmediziner Coronavirus-Patienten obduziert hat. Letzterer wird häufig von Verschwörungstheoretikern zitiert, aber eben nur verkürzt und sinnentstellend.

Was haben die beiden Mediziner untersucht und was ist dabei herausgekommen?

Am Universitätsspital Basel untersuchte Tzankov 20 Tote, von denen bekannt war, dass sie vor dem Tod eine Coronavirus-Infektion hatten. Bemerkenswerterweise hatten alle vor der Infektion bereits einen diagnostizierten Bluthochdruck. Bei den männlichen Patienten war der Großteil deutlich übergewichtig. Ein Drittel der Patienten war Diabetiker, zwei Drittel hatten sogar Vorschädigungen an den Herzkranzgefässen.

Was der Pathologe in der Schweiz aber auch konstatierte: Keine dieser Vorerkrankungen hätte vermutlich kurzfristig zum Tod geführt. Ohne Coronavirus wären alle Patienten vermutlich noch am Leben. Die festgestellten Vorerkrankungen wirken zwar grundsätzlich lebensverkürzend, aber alle Patienten hätten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne Covid-19 noch länger gelegt. Wie lange, kann natürlich niemand vorhersagen.

Was der Pathologe aber bei Obduktionen von Covid-19-Toten gesehen habe, war eine Lungenschädigung, die eine schwere Störung der Mikrozirkulation der Lunge bewirkt. Der Sauerstoffaustausch funktioniert dadurch nicht mehr richtig. Schlussendlich auch nicht mit künstlicher Beatmung: Auch wenn man künstlich Sauerstoff zuführe, wird dieser vom Körper nicht mehr weiter transportiert. Diese Fehlfunktion hänge weder mit Diabetes noch mit Bluthochdruck zusammen, sondern sei nach menschlichem Ermessen auf die Covid-19-Erkrankung zurückzuführen.

Wer Bluthochdruck habe, Diabetiker sei und Übergewicht habe, könne Sauerstoff im Körper aufnehmen und weiterleiten. Sowohl selbstständig wie auch unter künstlicher Beatmung. Bei einer Infektion mit dem Coronavirus scheint es in einer bestimmten Prozentzahl an Fällen allerdings zu Störungen der Sauerstoff-Weiterleitung zu kommen, die auch durch künstliches Koma und Intubierung nicht beseitigt werden können.

In Hamburg kommt man zu ähnlichen Covid-19-Erkenntnissen:

Rechtsmediziner Püschel hat sich schon früh für mehr Obduktionen an Covid-19-Toten eingesetzt und wird häufig mit seiner Aussage zitiert, dass er noch keinen Covid-19-Gestorbenen ohne Vorerkrankung gesehen habe. Das hat Rechtsmediziner Püschel auch so gesagt. Was Vereinfacher- und Nur-Überschriften-Leser allerdings häufig unterschlagen, ist seine vollständige Analyse. Püschels jüngste Analyse umfasst Obduktionen, die an 65 Fällen in Hamburg vorgenommen worden sind (zwischen 22.März und 11.April 2020 im Universitätsklinikum Eppendorf).

Alle Patienten, die untersucht wurden und „mit“ Covid-19 verstorben sind, hatten Vorerkrankungen, wie z.B. Übergewicht, einen früheren Herzinfarkt, Bluthochdruck, Arteriosklerose, Diabetes oder gar Krebs. Einige wiesen auch Organschäden an Nieren oder Leber auf. Bei 46 von 65 Fällen wurden Vorerkrankungen der Lunge diagnostiziert. 16 der Toten wurden als demenzkrank geführt.

Der wichtigste Fakt aber, den viele Vereinfacher einfach weglassen ist die Analyse der Rechtsmedizin in Hamburg:

Von 65 untersuchten Patienten sind 61 auch AN dem Coronavirus gestorben. Nur bei 4 Patienten sei die Aussage möglich, dass diese „nur“ MIT dem Virus gestorben sind. 61 der 65 Patienten hätten also ohne eine Coronavirus-Infektion länger gelebt und diese war ursächlich für den Tod.

Fazit: Ob jemand „an“ oder „mit“ dem Coronavirus gestorben ist, gilt als akademische Frage ohne nennenswerte statistische Relevanz. Natürlich sind die Tests aufgrund der geringen Obduktionszahlen nicht repräsentativ für alle in Deutschland gestorbenen Patienten mit Covid-19-Infektion, aber aufgrund der Expertise der beiden Spezialisten sollte man sich zukünftig Erbsenzählereien, ob jemand mit oder an Covid-19 gestorben ist, sparen.

Die Stadt Hamburg veröffentlicht im Übrigen auch die Todeszahlen differenziert und zwar unter Zuhilfenahme der Obduktionen, die u.a. durch den Rechtsmediziner Püschel vorgenommen worden sind. Bereits am 14.4.2020 findet man z.B. im Lagebericht der Stadt Hamburg die Angabe, dass von 59 Covid-19-Toten auch 58 AN dieser Krankheit gestorben sind. Dem Rechtsmediziner in Faktenverdrehung das Gegenteil zu unterstellen, wie es mit bunten Bildchen und angeblichen Zitaten „Es ist noch nie jemand an Covid-19 gestorben“, ist absurd und wird nur von einfachen Gemütern für bare Münze genommen. Es taugt allenfalls zum Versuch, die Bevölkerung aufzuwiegeln, aber nicht zur Annäherung an die Realität.

Link zum Faktencheck: Hamburg Lagebericht 14.April 2020

Robert Koch Institut begrüßt ausdrücklich Obduktionen

Zwischenzeitlich hat auch das Robert-Koch-Institut ausdrücklich klar gestellt, dass es grundsätzlich begrüßenswert wäre, Covid-19-Opfer zu obduzieren, um genauere Erkenntnisse zur Krankheit zu bekommen. Dabei müssten natürlich die notwendigen Hygienemaßnahmen ergriffen werden, wozu Pathologen ja auch in der Lage sind. Auch ein Covid-19-Verstorbener könne die Infektion noch weitergeben. Ein Problem nicht nur für Pathologen, sondern auch eine Herausforderung für Bestatter.

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