Unter Untersuchungshaft wird in Teilen der Bevölkerung eine vorweggenommene Strafe verstanden. Polizisten, die einen vermeintlichen Straftäter bei einer vermuteten Straftat erwischen, stecken den Straftäter schon einmal in Haft. Doch so einfach ist es nicht. Untersuchungshaft ist komplizierter. Wir unternehmen den Versuch einer Aufklärung:
Wer darf Untersuchungshaft verhängen?
Zunächst muss Untersuchungshaft in Deutschland immer von einem Richter durch einen Haftbefehl angeordnet werden. Der Beschuldigte muss dazu auch einem Haftrichter vorgeführt werden und darf sich dort – mit oder ohne Anwalt – zu den Vorwürfen äußern.
In Deutschland können also nicht einfach Polizisten jemanden in Untersuchungshaft stecken. Das geht nicht. Polizisten können jemanden festnehmen, bzw. vorläufig festnehmen und ggf. in eine polizeiliche Gewahrsamszelle stecken, aber nur, bis er einem Haftrichter vorgeführt worden ist. Haftrichter arbeiten deshalb auch am Wochenende – teilweise als Notbesetzung. So ist gewährleistet, dass auch am Samstag oder Sonntag jemand einem Haftrichter vorgeführt werden kann.
Wozu überhaupt Untersuchungshaft?
Die Untersuchungshaft dient der Verfahrenssicherung bei Ermittlungsverfahren, – so kann man z.B. verhindern, dass ein Straftäter flieht oder andere Verfahrensbeteiligte vor einem Prozess beeinflusst.
3 mögliche Gründe für Untersuchungshaft
Im Wesentlichen muss bei Verhängung von Untersuchungshaft immer einer der folgenden drei Gründe vorliegen:
- Fluchtgefahr/Flucht
- Verdunkelungsgefahr
- Wiederholungsgefahr
Man kann also nicht einfach jemanden in Untersuchungshaft stecken, weil er im Drogeriemarkt etwas gestohlen hat. Das geht nur dann, wenn man mit der Untersuchungshaft eine überwiegend wahrscheinliche Flucht abwenden kann, der Täter sonst die Tat verdunkeln könnte oder es wahrscheinlich ist, dass der Täter wieder straffällig wird.
Auch muss bei Verhängung von Untersuchungshaft ein dringender Tatverdacht bestehen. Der festgenommene Tatverdächtige muss nicht nur verdächtig sein, eine Tat begangen zu haben, sondern dringend verdächtig. Das heißt, es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Tatverdächtige wegen einer Straftat verurteilt wird.
Richter und Anwälte streiten oft wegen Untersuchungshaft
Naturgemäß streiten sich Richter und Anwälte oft über Untersuchungshaft: Die einen halten sie für dringend erforderlich, die anderen für übertrieben. In der Rechtsprechung haben sich bestimmte Leitlinien herauskristallisiert, die es Richtern nicht so einfach machen, Untersuchungshaft aufrecht zu erhalten.
Verhängt ist die Untersuchungshaft schnell, aber mit Rechtsmitteln kann sich der Festgenommene wehren, was zu einer Überprüfung der Untersuchungshaft führt.
Untersuchungshaft muss verhältnismäßig sein
Die Untersuchungshaft muss zudem verhältnismäßig sein: Man kann jemanden, der erstmalig eine Packung Kaugummi geklaut hat, nicht für 6 Monate in Untersuchungshaft stecken. Die Untersuchungshaft darf die Dauer der zu erwartenden Strafe z.B. nicht überschreiten, bei Bagatelldelikten ist sie also allenfalls im Wiederholungsfalle angebracht.
Wie lange darf Untersuchungshaft dauern?
Eigentlich soll die Untersuchungshaft nicht länger als maximal 6 Monate dauern. Dies kann aber verlängert werden. In Deutschland sitzen zahlreiche Untersuchungshäftlinge länger als 6 Monate im Gefängnis, weil die Justizbehörden überlastet sind, auch wenn es einen Beschleunigungsgrundsatz für Haftsachen gibt: Strafsachen von Menschen, die sich in Untersuchungshaft befinden, sollen eigentlich schneller bearbeitet werden. Aber „eigentlich“ lässt sich nicht immer umsetzen.
Wohin kommt man bei Untersuchungshaft?
Bei Untersuchungshaft kommt man in eine reguläre Justizvollzugsanstalt, volkstümlich als Gefängnis oder Knast bezeichnet. Dort gibt es meistens einen separaten Trakt oder Gebäude nur für Untersuchungshäftlinge, wo die Untersuchungshäftlinge in Zellen untergebracht werden. Wegen Überfüllung der Gefängnisse in Deutschland häufig in Zellen, in denen mehrere Personen sich eine Zelle teilen. In deutschen Zellen gibt es zumeist mehrere Betten, aber nur ein Waschbecken und ein – oft nur unzureichend abgetrenntes Klo.
Wie kommt man aus der Untersuchungshaft wieder heraus?
Um aus der Untersuchungshaft herauszukommen, empfiehlt sich die Beauftragung eines Strafverteidigers. Grundsätzlich könnte man das auch selbst machen. Strafverteidiger sind jedoch geschult in diesen Anträgen und dadurch erfolgreicher.
Grundsätzlich gehen diese Anwälte über eine Haftbeschwerde, bzw. Haftprüfung vor, um eine Untersuchungshaft zu beenden.
Unterschied Haftprüfung zur Haftbeschwerde
Nach §117 StPO kann ein ein Beschuldigter jederzeit eine Haftprüfung beantragen. In einer mündlichen Verhandlung entscheidet das Gericht dann, ob die Untersuchungshaft fortgesetzt wird oder nicht.
Die Haftprüfung muss dabei innerhalb von 2 Wochen nach dem Antrag auf Haftprüfung durchgeführt werden, das Gericht kann sich also nicht ewig Zeit lassen. Nach der Verhandlung wird im Regelfall sofort die Entscheidung verkündet, – das Gericht könnte eine Entscheidung aber auch bis zu einer Woche danach erlassen.
Bedenken soll man bei der Haftprüfung jedoch, dass eine erneute Haftprüfung/Verhandlung darüber nur dann möglich ist, wenn die U-Haft länger als drei Monate andauert und seit der letzten Haftprüfung mindestens zwei Monate vergangen sind. Im Regelfall wird der Verteidiger also keine Haftprüfung, sondern eine Haftbeschwerde als Rechtsmittel wählen.
Bei der Haftbeschwerde nach §304 StPO prüft das nächsthöhere Gericht den Sachverhalt. Eine solche Haftbeschwerde kann man jederzeit einlegen. Allerdings nicht, wenn bereits ein Antrag auf Haftprüfung gestellt worden ist, – ggf. kann man diesen dann aber zurückziehen.
Bei der Haftbeschwerde wird im Regelfall im schriftlichen Verfahren vom nächsthöheren Gericht entschieden. Es gibt keinen Anspruch auf eine persönliche mündliche Verhandlung. Der Richter können eine solche durchführen, werden es im Regelfall aber nach Aktenlage entscheiden.
Wird eine Haftbeschwerde nicht erfolgreich beschieden, kann man auch gegen diesen Bescheid wieder Beschwerde einlegen (§310 StPO).
Aufhebung oder Außervollzugsetzung der Untersuchungshaft
Ziel einer Haftbeschwerde oder einer Haftprüfung ist im Regelfall die Aufhebung des Haftbefehls und damit die Aufhebung der Untersuchungshaft. Der Untersuchungsgefangene kommt frei, muss sich aber ggf. später dennoch einem Strafverfahren stellen.
Viel häufiger wird jedoch „nur“ eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls erreicht: Der Untersuchungsgefangene kommt aus der Untersuchungshaft, aber der Haftbefehl bleibt im Prinzip bestehen. Er wird nur solange nicht vollstreckt, wie sich der aus der Untersuchungshaft freigelassene Verdächtige an die Auflagen der Außervollzusetzung hält. Dies sind z.B. häufig:
- Meldepflichten, z.B. ein- bis dreimal wöchentlich bei der lokalen Polizei zu erscheinen und sich zu melden
- Hinterlegung einer Kaution auf einem Konto, deren Höhe von der vorgeworfenen Straftat abhängig ist.
- Einhaltung eines Kontaktverbots zu bestimmten Personen
- Hinterlegung seines Ausweises bei Behörden
Informationen entnommen aus : „Komm, Muschi spring – U-Haft in Freiburg“