Während die Vorbereitung auf die Fußball-WM der Frauen in Australien und Neuseeland in die letzte Phase geht, bevor sie am 20. Juli offizielle beginnt, und besonders die deutsche Mannschaft intern aufgrund von Verletzungen und terminlichen Problemen geschwächt dasteht, mag es auch die Moral senken, dass man das Turnier möglicherweise in Deutschland nicht einmal live per TV verfolgen kann. Grund dafür sind Streitigkeiten zwischen der FIFA du den öffentlich-rechtlichen Sendern, die den Preisforderungen nicht nachkommen wollen.
Ist der Frauenfußball einfach nicht relevant genug, dass sich die Investition in die Übertragungsrechte lohnt? Oder sind bürokratische Hürden und organisatorische Probleme dafür verantwortlich, dass noch immer nicht geklärt ist, ob überhaupt und wo die Fußball-WM der Frauen 2023 live ausgestrahlt wird? Tatsache ist, dass sich die FIFA und die Öffentlich-Rechtlichen rund 5 Wochen vor dem Auftakt noch immer nicht einig werden konnten und auch keine Lösung in Sicht zu sein scheint.
Derzeit stellt sich die FIFA quer und lehnte die Angebote von ARD und ZDF strikt ab. FIFA-Präsident Gianni Infantino fordert laut dem Sportmagazin Kicker jeweils zehn Millionen Euro von beiden Sendern, die wiederum jedoch nur jeweils fünf Millionen Euro anboten, eine geradezu lächerliche Summe im Vergleich zur Fußball-WM in Katar, für die die Sender 214 Millionen Euro ausgaben. Inakzeptabel, lautet das Argument des Schweizers, der gleichzeitig auf Gleichberechtigung im Fußball beharrt. Laut Der FIFA sahen 2019 1,12 Milliarden Zuschauer bei der WM der Frauen in Frankreich zu, rund 30 Prozent mehr als beider WM 2015 in Kanada, was einen deutlichen Anstieg in der Popularität und Relevanz des Frauenfußball nachweist, wobei Infantino die vergangenen WM geradezu als „kulturelles Phänomen“ bezeichnete, das ein noch nie dagewesenes Medienecho auslöste und einen Beweis dafür lieferte, dass Fußballereignisse die breite Masse anziehen, ganz gleich ob Männer oder Frauen spielen. Ganz unrecht hat er damit nicht, die WM in Katar zog rund 5 Milliarden Zuschauer an TV und Streaming-Plattformen, und wenngleich damit weitaus mehr Menschen als bei der vergangenen Frauen-WM zusahen, bedeutete dies jedoch einen Einbruch von rund 40 Prozent im Vergleich zu 2018, während die Frauen-WM immer beliebter wird. Weniger Bedenken hatte man auf Seiten des Deutschen Sportwetten Verbands (DSW), wo man sich darüber freute, dass sich der Umsatz in der Branche zum Ende 2022 auf das Niveau vor der Pandemie erholt hatte – und wer Wetttipps abgibt, will die Spiele in der Regel auch live verfolgen. Mit der zunehmenden Beliebtheit von Online-Wetten könnten auch ambitionierte Zocker die Einschaltquoten bei der Frauen WM in die Höhe treiben.
Warum also sind die ARD und ZDF nicht willens mehr zu bezahlen und sich die Rechte zu sichern? Der Grund dafür liegt zum einen in der Neustrukturierung der Preise, zum anderen in der Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Australien/Neuseeland. Zum ersten Mal wurde das Preispaket für die WM der Frauen separat von der der Männer angeboten, während die Sender in der Vergangenheit hierfür ein Komplettpaket erwarben. Klarer Fall: die Kosten sind fallen damit stärker ins Gewicht und führen zu Überlegungen, ob die Investition Sinn macht. Ähnliches macht Sinn hinsichtlich der erheblichen Zeitverschiebung und Übertragung aus vier verschiedenen Zeitzonen, die die Sendezeiten in Deutschland teilweise auf nachts oder die frühen Morgenstunden verlegt und die Sender konservativ bei der Investition stimmt.
Üblicherweise sind auch Streaming-Dienste wie Sky und DAZN im Rennen um die Sendezeiten, doch in diesem Fall melden sie ebenfalls wenig Interesse an und begründen dies auf mehr oder weniger elegante Art damit, dass man im Grunde kein Interesse daran hat. „Das würde nicht zu uns passen“, sagt Alice Mascia, Geschäftsführerin bei DAZN, und das, obwohl man hier durchaus das Women’s Champions League Finale und andere wichtige Spiele aus dem Damenfußball anbietet. Sky Manager Charly Classen drückte sich etwas eleganter aus und betonte, die Frauennationalmannschaft verdiene es im Sommer bei ARD und ZDF dabei zu sein. Wenngleich auf keinem der Streaming-Dienste live zu sehen sein werden, dürfen sich die Abonnenten von Sky hier jedoch wenigstens auf Highlights und Zusammenfassungen freuen.
ARD-Sportkoordinator Axel Bakaulsky stellt sich seinerseits mittlerweile auf stur, denn immerhin habe die ARD die Ausschreibung gewonnen, die die FIFA ausstellte – nur um dann mitgeteilt zu bekommen, dass das Angebot nicht hoch genug war. Zudem gebe es noch nicht einmal eine konkrete Aussage von Seiten der FIFA darüber, was man denn nun konkret bezahlen solle, ärgerte er sich öffentlich weiter. Normalerweise würde man sich zusammensetzen und eine gemeinsame Lösung finden, doch dazu müssten eben beide Parteien bereits sein, äußerte er sich weiter zur geringen Verhandlungsbereitschaft Infantinos. Charly Classen gab ihm Rückendeckung und betonte er hoffe, dass „der Mist bald aufhört“, jedoch ohne selbst finanzielle Maßnahmen zu ergreifen, um die Misere zu lösen.
Wie sich der Streit auf die Moral der deutschen Frauennationalmannschaft auswirkt, bleibt abzuwarten. Derzeit navigieren sie den Ausfall von Außenverteidigerin Giulia Gwinn, die nach einem zweiten Kreuzbandriss vergangenen Oktober noch kein Spiel bestritten hat. Zudem stellt der FC Bayern seine fünf Spielerinnen erst zum 23. Juni ab, und das, obwohl das Trainingslager bereits am 20. Juni beginnt und der Nationalmannschaft damit drei wichtige Tage verlieren wird.