Aktuell sind in Freiburg 8 mutmaßlich Beteiligte in Untersuchungshaft, denen vorgeworfen wird, im Rahmen einer Gruppenvergewaltigung im Umfeld einer Freiburger Diskothek am 14.10.2018 eine 18-jährige Studentin nacheinander sexuell missbraucht zu haben. Unter den 8 Tatverdächtigen befinden sich 7 Syrer, bzw. sieben Personen, die bei der Asylantragstellung angegeben haben, Syrer zu sein.
Warum können diese 7 Syrer nicht abgeschoben werden?
1.) Deutschland ist ein Rechtsstaat. Hier bestimmt nicht ein Großmufti oder ein Mob aus der Bevölkerung, was mit Beschuldigten passiert, sondern im Rahmen eines Strafgerichtsverfahrens muss zunächst erst einmal rechtsgültig die Schuld an einer Straftat nachgewiesen werden.
2.) Aktuell ist eine Abschiebung nur für Straftäter vorgesehen, die zu einer längeren Haftstrafe verurteilt werden. Im Regelfall fallen darunter Haftstrafen von 1 Jahr und länger. Der Baden-Württembergische Innenminister Strobl sprach in seiner Pressekonferenz vom 2.11.2018 sogar von mindestens 2 Jahren. Es muss eine rechtskräftige Verurteilung vorliegen, d.h. der Instanzenweg muss durchschnitten sein. Gegen eine erstinstanzliche Verurteilung könnte ein Straftäter z.B. Rechtsmittel einlegen, über die dann in einer zweiten Instanz entschieden wird. Ein solcher Instanzenzug kann aktuell im Raum Freiburg wegen Überlastung der Gerichte mehrere Jahre dauern.
3.) Syrer können gegen eine Ausweisung klagen, die dann u.U. von Gerichten gestoppt wird. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat z.B. in einem Verfahren (A5K 2096/16 mit Urteil vom 13.12.2016) der Klage einer Syrerin stattgegeben, die Folter im Falle einer Rückkehr für wahrscheinlich hielt. Das Verwaltungsgericht hat geurteilt, dass Syrer bei der Wiedereinreise mit Interviews, auch unter Folter rechnen müssten. Auch etwaige sichere Gebiete in Syrien seien nicht ohne Durchquerung von Gebieten, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, erreichbar. So z.B. sei spätestens am Flughafen mit einer Kontrolle zu rechnen.
4.) Das Verwaltungsgericht Freiburg ist mit seiner Entscheidung aber nicht allein, so hat auch das Bundesverfassunggericht unter Az 2 BvR 157/17 geurteilt, dass ein Syrer, der über Griechenland eingereist war, dort bereits Asyl beantragt hatte, noch nicht einmal dorthin abgeschoben werden dürfe, da die Bundesrepublik Deutschland nicht sicherstellen könne, dass er dort ausreichend Sozialleistungen erhalte. In Griechenland hat man nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nur dann Anspruch auf Sozialleistungen, wenn man einen 20-jährigen legalen Aufenthalt in Griechenland nachweisen könne. Dies sei dem Asylbewerber unmöglich.
5.) Das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) definiert Syrien bisher nicht als sicheres Herkunftsland, weswegen Abschiebungen dahin rechtlich immer schwierig werden. Überdies hat die Bundesrepublik schon Schwierigkeiten, überhaupt in sogenannte sicherer Herkunftsstaaten abzuschieben. Aktuell (3.11.2018) definiert das BAMF die folgenden Länder, aus denen Flüchtlinge kommen, als „sichere Herkunftsländer„:
- die Mitgliedstaaten der Europäischen Union
- Albanien
- Bosnien und Herzegowina
- Ghana
- Kosovo
- Mazedonien, ehemalige jugoslawische Republik
- Montenegro
- Senegal
- Serbien
6.) Die Abschiedung von Syrern in Gebiete oder Länder, wo Ihnen Not droht, verstößt gegen Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention, so hat z.B. das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 29.1.2018 erst entschieden (Az. 10 LB 82/17). Ein Syrer sollte nach Bulgarien abgeschoben werden, wo er auf seiner Flucht bereits als Flüchtling anerkannt wurde. Der 10.Senat des Gerichts ist zu der Überzeugung gelangt, dass der syrische Flüchtling in Bulgarien wieder in eine Notsituation komme, wo er vermutlich keine Unterkunft und damit keine Arbeitsstelle oder Sozialleistungen erhalte. Flüchtlinge seien in Bulgarien von Obdachlosigkeit und extremer Armut bedroht, befand das Gericht. Eine Revision wurde gar nicht erst zugelassen.
7.) Selbst der Sonderstab für besonders kriminelle Ausländer im Innenministerium in Baden-Württemberg, der sich um die Durchführung von Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern in Baden-Württemberg kümmern soll, hat in ganz 2018 bis Stand Anfang November ganze 38 (in Worten: achtundreißig) Flüchtlinge ins Ausland abgeschoben. Pro Monat in 2018 sind dies 3,8 Flüchtlinge, statistisch noch nicht einmal eine Familie pro Monat. Dies zeigt auf, wie schwierig, selbst in Extremfällen die Durchführung von Abschiebungen ist. Selbst dann, wenn sich eine Sonderstelle intensiv darum kümmert und es sich bei den Ausreisepflichtigen um besonders gefährliche Täter handelt.
8.) §33 der Genfer Flüchtlingskonvention regelt, dass kein Staat einen Flüchtling ausweisen wird, wenn sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde. Darauf beziehen sich viele Flüchtlinge in einer etwaigen Klage. Eine überdurchschnittliche hohe Anzahl von Flüchtlingen gibt z.B. an, schwul zu sein und deswegen im Heimatland verfolgt zu werden. Ob die Vergewaltiger einer Frau mit dieser Argumentation aber durchkommen, dürfte fraglich sein.
9.) Vor dem Freiburger Verwaltungsgericht waren per Stand 30.9.2018 über 8000 (!) Fälle in Sachen Asylverfahren noch offen/anhängig. Wer hier klagt, kann also im Regelfall nicht mit einem schnellen Ende des Verfahrens rechnen und darf im Regelfall bis zum rechtskräftigen Ende eines Verfahrens in Deutschland bleiben.
Wo ist eigentlich die Ausweisung geregelt?
Die Ausweisemöglichkeit ist in §53 des Aufenthaltsgesetzes geregelt. Darin heißt es:
§ 53 Ausweisung
(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
(3) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn1. ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3 eine Ausweisung rechtfertigt oder
2. eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.